Kulturtransparenz beim Dolmetschen und Übersetzen

Lokalisierung vs. Kulturtransparenz

Was ist Lokalisierung?

Die Übersetzungsindustrie wird auch gerne als Lokalisierungsbranche bezeichnet, auch wenn die Bedeutung nicht deckungsgleich ist.


Was ist damit gemeint?


Unter Lokalisierung versteht man gemeinhin die Anpassung von Produkten, Marketing, Webauftritten, kurzum der gesamten Kommunikation eines Unternehmens, an das Zielpublikum eines neuen Marktes. Die Übersetzung von einer Sprache in eine andere stellt dabei lediglich ein Teilelement dieses Prozesses dar. Bei Websites spielt auch eine angepasste SEO eine entscheidende Rolle, bei Produkten neue Beschaffenheiten, bei der Werbung andere Marketingstrategien.

Das Zielpublikum im Blick

Wenn man nun die Qualität einer Übersetzung oder Dolmetschleistung bewerten möchte, wird oft geprüft, ob – neben der inhaltlichen und sprachlichen Richtigkeit – die gleiche Wirkung beim Zielpublikum erzielt wird wie bei der ursprünglichen Zielgruppe. Wird ein Witz erzählt, soll gelacht werden, wird ein Produkt beworben, soll eine Kaufentscheidung gefällt werden, wird eine Dienstleistung angepriesen, soll ein Vertragsabschluss stattfinden. Dabei steht die Wirkung, das Ergebnis, über einzelnen Wörtern und Grammatik. Die neue Zielgruppe soll nicht merken, dass das Ausgangsprodukt aus einem anderen Land oder einer anderen Kultur stammt.

Was bedeutet Kulturtransparenz?

In meiner Arbeit als Dolmetscherin und Untertitelübersetzerin bewege ich mich regelmäßig in Kontexten, in denen dem Zielpublikum aber nur allzu bewusst ist, dass eine Übersetzung vorliegt. Hier arbeite ich gerne mit Kulturtransparenz. Das bedeutet, dass ich nicht versuche, zu verstecken, dass es sich bei vorliegendem Text um eine Übersetzung handelt. Ich ermögliche dem:der Verbraucher:in, in der eigenen Muttersprache einen Blick hinter den Vorhang der fremden Sprache und Kultur zu werfen. Dabei gibt es verschiedene Strategien. Sprachliche Korrektheit und Idiomatik sind dabei weiterhin eine Selbstverständlichkeit. Ich imitiere nicht die englische Grammatik, halte mich tunlichst fern von „falschen Freunden“ und übertrage Redewendungen in ihr deutsches Pendant. Aber ich hebe den Vorhang einen Spalt breit, hinterlasse gezielte Spuren, damit das neue Zielpublikum seinen Weg hin zur anderen Kultur findet und diese versteht.

Lokalisierung oder Kulturtransparenz?

Bei einer Übersetzung ohne Kulturtransparenz könnte aus dem amerikanischen Markennamen „Band-Aid“ im Deutschen „Pflaster“ werden. Im Sinne der Kulturtransparenz würde man hingegen den Markennamen beibehalten und je nach Möglichkeiten eine Erklärung hinzufügen oder dem:der Leser:in die Option zur eigenen Recherche bieten.


Beim Dolmetschen übernehme ich Referenzen aus der Popkultur, Eigennamen oder ähnliches. Meine Zuhörer:innen können dann zum Beispiel im Anschluss an die Sitzung auf den/die Redner:in zugehen und danach fragen, das bietet den Teilnehmenden einer Veranstaltung immer eine schöne Möglichkeit, sich auszutauschen und besser kennenzulernen.


Auch in Spielfilmen ist Kulturtransparenz ein Thema, wenn zum Beispiel die französischen Anreden „Monsieur“ und „Madame“ beibehalten werden, anstatt sich die Charaktere mit „Herr“ und „Frau“ ansprechen zu lassen. Hinzu kommt, dass im Französischen die Anrede auch an anderer Stelle benutzt wird. „Merci, Madame.“ Im Deutschen sagt man eher: „Ich danke Ihnen.“ Ohne ein „gute Frau“ hinterherzuschieben.

Was bedeutet Qualität beim Dolmetschen und Übersetzen?

Im Studium heißt es oft, dass eine Übersetzung dann als gelungen gilt, wenn man ihr nicht anmerkt, dass es eine Übersetzung ist. Für mich ist es aber stets eine Abwägungssache, ob und wie viel von der Kultur des Quelltextes an das neue Zielpublikum übermittelt wird. Und wie bei so vielem gibt es hier nicht nur entweder-oder, kein Schwarz-oder-Weiß. Die große Herausforderung, die gleichzeitig auch das Schöne an dieser Tätigkeit ist, ist es, die feine Linie zwischen beiden Welten zu finden und dem gerecht zu werden.

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5. Juni 2025

Über die Autorin

Laura Bischoff ist als freiberufliche Konferenzdolmetscherin in Aachen mit den Sprachen Deutsch (A), Englisch (B), Französisch (C) und Spanisch (C) tätig. Vor ihrer Selbstständigkeit arbeitete sie in der Abteilung für Terminologie in der Generaldirektion Dolmetschen der Europäischen Kommission. Das Studium absolvierte sie in Brüssel und Köln.

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Dolmetschen ist einmalig und unmittelbar Das Spannende am Dolmetschen ist, dass das Produkt für den Moment gedacht ist. In der Sekunde, in der ich die Leistung erbringe, ist sie relevant und wird direkt durch die Zuhörenden verwerten. Sobald der Moment verstrichen ist, ist auch die Verdolmetschung vorbei und verliert ihre Bedeutung. So ist das beim gesprochenen Wort. Was zählt ist das, was darauf folgt. Die Reaktion der Zuhörenden, die Handlungen, die sich daraus ergeben, die Erinnerung an den Augenblick. (Aufnahmen von Online-Meetings, die die Verdolmetschung ebenfalls erfassen, klammere ich hier bewusst aus, denn diese haben nichts mit dem ursprünglichen Verwendungszweck der Verdolmetschung zu tun. Das lässt sich in die gleiche Kategorie wie Voice-Over eine Filmproduktion einordnen.) Was sich aus oben verfassten Überlegung ergibt, ist die Tatsache, dass alles, was mit der Verdolmetschung einhergeht, ebenfalls ausschließlich für den Einsatz in ebenjenem Moment gedacht ist und danach wortwörtlich in die Tonne kann. Dabei nehme ich nun insbesondere Bezug auf die schriftlichen Notizen, die Dolmetscher:innen bei ihrer Arbeit anfertigen. Papierverbrauch beim Konsekutivdolmetschen Wenn ich ans Notieren beim Dolmetschen denke, kommt mir sofort das Konsekutivdolmetschen in den Sinn. Beim Konsekutivdolmetschen ist das übliche vorgehen so: Der/die Redner:in trägt seinen/ihren Redebeitrag vor. Als Dolmetscherin höre ich genau zu und mache mir als Gedankenstütze einige Notizen. Die Notizentechnik, die dafür zum Einsatz kommt, besteht aus einer Mischung aus Text, Abkürzungen und Symbolen, die im Studium erlernt und im Laufe der Dolmetschkarriere auf Grundlage der dazugewonnenen Erfahrung verfeinert wird. Nachdem der/die Redner:in geendet hat, oder - wenn der Beitrag sehr lange geht - nach einer kleinen Unterbrechung, gebe ich das Gesagte in der anderen Sprache wieder. Je nach Länge des Dolmetscheinsatzes verbrauche ich dabei eine Menge Papier. Wer viele Konsekutivaufträge hat, hat demnach einen relativ hohen Papierverbrauch allein für diese Tätigkeit. Ressourcenschonende Alternativen Als ich mich mit meiner Kollegin Caterina Saccani , Expertin im Bereich Nachhaltigkeit, darüber austauschte, berichtete sie mir von Bambook, einer nachhaltige Alternative für klassische Papierblöcke. Dieses wiederverwendbare Notizbuch ist nicht nur für To-Do-Listen, Brainstorming, Gedankenstützen, oder ähnlichem ein praktisches Helferlein für all diejenigen, die noch gerne mit der Handschreiben - mir persönlich hilft das handschriftliche Schreiben beim Sortieren meiner Gedanken und ich komme damit oft besser klar, als etwas ins Handy zu tippen. Sondern es kann auch beim Dolmetschen helfen, die Tätigkeit ein kleines bisschen ressourcenschonender zu gestalten. Notieren beim Simultandolmetschen Ein Notizblock ist mir auch bei jedem Simultandolmetscheinsatz ein treuer Begleiter. Während ich in Echtzeit das Gesagte von einer Sprache in die andere übersetze, schreibe ich Zahlen, Eigennamen oder (bei langen Satzkonstruktionen) Verben auf. Zudem ist es eine große Hilfe, die wichtigsten Fachbegriffe schwarz auf weiß vor mir zu sehen, damit ich sie nicht erst am Tablet nachschlagen muss. Auch in dieser Situation verliert das Geschriebene auf dem Notizblock seine Relevanz, sobald der Einsatz abgeschlossen ist. Neulich testete ich also kurzerhand den Bambook-Block bei einem Simultaneinsatz aus und war fasziniert, wie anders ich im Vergleich zum klassischen Papierblock notiert habe. Kein Gekritzel, das ich sonst unbewusst zum Stressabbau fabriziere, ordentlichere und besser lesbare Schrift. Und ich habe keinen Müll produziert, sondern kann meine Notizen wegwischen und den Block beim nächsten Einsatz direkt wiederverwenden. Eine tolle Sache! Wenn Sie mehr über das mysteriöse Geschreibsel von Dolmetscher:innen erfahren wollen, kommen Sie gerne auf mich zu.
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